EU-Taxonomie: Ein Überblick der Kriterien

Die EU-Taxonomie (Taxonomy Regulation, TR, VO (EU) 2020/852) legt ein einheitliches System von Kriterien fest, anhand dessen sich bestimmen lässt, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Die Verordnung trat im Juli 2020 in Kraft und ist seit Januar 2022 anzuwenden.

Sechs Umweltziele

Die EU-Taxonomie bestimmt sechs Umweltziele, die für die Klassifizierung von Wirtschaftstätigkeiten maßgeblich sind:

Klimaschutz Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
Anpassung an den Klimawandel Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
Übergang zur Kreislaufwirtschaft Schutz sowie Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Die EU-Taxonomie definiert in dem „Sektor 7 – Baugewerbe und Immobilien“ die relevanten Kategorien im Sinne einer Taxonomiefähigkeit für die wirtschaftlichen Aktivitäten der Wohnungsunternehmen:

7.1 – Neubau

7.2 – Renovierung bestehender Gebäude

7.3 – Installation, Wartung und Reparatur von energieeffizienten Geräten

7.4 – Installation, Wartung und Reparatur von Ladestationen für Elektrofahrzeuge in Gebäuden (und auf zu Gebäuden gehörenden Parkplätzen)

7.5 – Installation, Wartung und Reparatur von Geräten für die Messung, Regelung und Steuerung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden

7.6 – Installation, Wartung und Reparatur von Technologien für erneuerbare Energien

7.7 – Erwerb von und Eigentum an Gebäuden

7.8 – Abbruch von Gebäuden und anderen Bauwerken

7.9 – Wartung von Straßen und Autobahnen

7.10 – Verwendung von Beton im Tiefbau

Die Kategorien werden im Zeitablauf regelmäßig ergänzt.

EU-Taxonomiekonformität

Anhand sogenannter technischer Bewertungskriterien wird für jede Kategorie geprüft, ob die sechs Klimaziele erreicht werden. Die technischen Bewertungskriterien ergeben sich aus „Delegierten Verordnungen“. Anhand derer wird bestimmt, unter welchen Bedingungen davon auszugehen ist, dass eine Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zu einem der sechs Umweltziele leistet und, ob diese Wirtschaftstätigkeit erhebliche Beeinträchtigungen eines der übrigen Umweltziele vermeidet. Die EU-Taxonomie klassifiziert wirtschaftliche Aktivitäten als nachhaltig, wenn sie keinem der sechs Umweltziele erheblich schaden (do not significant harm – DNSH) und gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag (Substantial Contribution Criteria – SCC) zu einem der sechs Klimaziele leisten. Darüber hinaus muss das jeweilige Unternehmen soziale Mindeststandards erfüllen, vor allem muss die Beachtung der Menschen- und Arbeitnehmerrechte sichergestellt werden. Als Richtlinie hilft hierbei, wenn die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte eingehalten werden. Werden diese Leitprinzipien nicht erfüllt, ist die betrachtete Wirtschaftsaktivität von vornherein nicht taxonomiekonform.

Welche Unternehmen sind betroffen?

Wohnungsunternehmen, die aufgrund der CSRD-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)) zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet sind, sind direkt der EU-Taxonomie im Sinne der Transparenzschaffung ihrer nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten ausgesetzt. Dabei sind Übergangsfristen zu beachten.

CSRD-Berichtspflicht (inkl. EU-Taxonomie)

Geschäftsjahre beginnend 01.01.2024: Geschäftsjahre beginnend 01.01.2025: Geschäftsjahre beginnend 01.01.2026:

Unternehmen v. öffentlichem Interesse

> 500 MA

Große Unternehmen gem. § 267 HGB:

25 Mio. Euro Bilanzsumme
50 Mio. Euro Umsatz
> 250 MA im Jahresdurchschnitt

Kapitalmarktorientierte KMU

Mitgliedsgenossenschaften sind nicht der CSRD-Richtlinie und damit der EU-Taxonomie ausgesetzt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch kleine – nicht kapitalmarktorientierte – Wohnungsunternehmen indirekt von der EU-Taxonomie, z.B. im Rahmen diesbezüglicher Datenanforderungen durch ihre Finanzierungspartner, betroffen sein werden.

Mittelverwendung steht im Fokus der EU-taxonomiekonformen Finanzierung 

Die Analyse der EU-Taxonomiekonformität von Wirtschaftsaktivitäten impliziert für Wohnungsunternehmen einen zusätzlichen Fokus auf die Mittelverwendung in ihrer Finanzierungsstrategie. Das Management von Sicherheiten im Rahmen von Finanzierungsüberlegungen wird somit um den Nachweis einer regulatorisch nachhaltigen Verwendung der Finanzierungsmittel ergänzt. Dies erfordert eine erweiterte Datenerhebung sowie die Anpassung der Kreditprozesse. Damit wird die EU-Taxonomie zu einem integralen Bestandteil der von Wohnungsunternehmen derzeit in Bearbeitung befindlichen Dekarbonisierungsstrategien, einschließlich der Finanzierung des Transformationsprozesses.

Auswirkungen auf Finanzierungspartner der Wohnungswirtschaft

Banken und Versicherungen sind ebenfalls von der EU-Taxonomie betroffen. So müssen diese bereits ab Anfang 2024 nachweisen, welcher Anteil ihres Geschäfts nachhaltigen Kriterien entspricht. Die dazu entwickelte Kennzahl Green Asset Ratio (GAR) soll institutsübergreifend einen Vergleich ermöglichen. Dabei wird das nachhaltig finanzierte Geschäftsvolumen und die nachhaltigen Investitionen durch das gesamte Geschäftsvolumen des Instituts geteilt. Es ist zu beachten, dass im Zähler nur nachhaltige Geschäftsaktivitäten mit großen Unternehmen (CSRD-berichtspflichtige Unternehmen), im Nenner das gesamte Geschäftsvolumen enthalten sind. Die Banking Book Taxonomy Alignment Ratio (BTAR) schafft hier Abhilfe und fokussiert auch die Geschäftsaktivitäten mit kleinen Unternehmen. So ist davon auszugehen, dass auch kleine Wohnungsunternehmen indirekt von der EU-Taxonomie durch die Einführung des Leistungsindikators „BTAR“ betroffen sein werden. Es zeichnet sich bereits heute ab, dass die Datenanforderungen der Finanzierungspartner an die gesamte Wohnungswirtschaft hinsichtlich der Nachhaltigkeitsaspekte sowohl auf Unternehmens- als auch auf Objektebene deutlich angestiegen sind und noch weiter anwachsen dürften.

Christian Fuest

Leiter Strukturierte Finanzierungen
Dr. Klein Wowi Finanz AG

 

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